
Diakonie auf dem Kirchentag
Vom 30. April bis 4. Mai in Hannover
„Endlich zur Ruhe kommen…..“
Ev. Jugendhilfe Würzburg sucht qualifizierte Eltern zur Gründung neuer Erziehungsstellen
Manchmal sind sie noch sehr jung. Fast selbst noch halbe Kinder. Eigentlich wollen sie leben. Party machen. Frei sein. Dann ist da plötzlich ein kleiner Jonas. Oder eine kleine Johanna. Um die man sich kümmern muss. Was nicht gut geht. Andere Eltern sind psychisch krank. Auch dann kann es schwierig sein, sich um ein Kind zu kümmern. Vielleicht aber ist auch das Kind zu „schwierig“ für seine Eltern. In solchen Fällen ist es oft besser, wächst das Kind nicht in der eigenen Familie auf.
25 solcher Kinder leben aktuell in vierzehn sogenannter Erziehungsstellen der Evangelischen Jugendhilfe Würzburg. Unter dem Begriff können sich die wenigsten Menschen etwas vorstellen. Pflege- oder Adoptivfamilien kennt man. Bei Erziehungsstellen handelt sich um eine besondere Form der erzieherischen Hilfe. Die betreffenden Familien müssen vom Fach sein. Vielleicht ist die Mutter, die bereit ist, ein Kind aufzunehmen, ausgebildete Erzieherin. Oder Sozialpädagogin. Oder Heilpädagogin. “Vor allem kleine Kinder kommen in Erziehungsstellen”, berichtet Margit Dittrich, eine Pädagogische Leiterin der Erziehungsstellen der Ev. Jugendhilfe.
Viele Männer und Frauen, die sich bereit erklären, Erziehungsstelle zu werden, haben selbst Kinder. Zum Teil sind die schon groß. Wollen alle Familienmitglieder das, kann ein Kind aufgenommen werden. “Wir schauen, dass der Abstand zu den anderen Kindern in der Familie passt”, sagt Daniela Hofstetter vom pädagogischen Fachdienst. Manchmal sind die eigenen Kinder auch noch klein. Die Mutter entschied, ihre Kinder selbst zu betreuen, statt sie früh in die Krippe zu geben. Sie möchte ihre pädagogischen Kompetenzen jedoch nicht ganz brachliegen lassen. Indem sie Erziehungsstelle wird, kann sie Beruf und Familie optimal vereinbaren.
Gerade für ältere Kinder bedeutet die neue Familie oft eine völlig andere Welt. Einen ganz einfachen Tagesablauf, also, am frühen Morgen aufstehen, sich duschen, frühstücken, dann in die Kita oder in die Schule gehen, mittags ein Essen erhalten und abends mit der ganzen Familie am Tisch sitzen, das kennen diese Kinder nicht. In ihren Ursprungsfamilien gab es keine Struktur. Dort war fast immer Chaos angesagt. Schlicht deswegen, weil die Eltern ständig überfordert waren. “Manche dieser Eltern sind massiv erkrankt,” sagt Daniela Hofstetter. Andere betrinken sich allabendlich. Wieder andere kommen mit ihren finanziellen Problemen einfach nicht zurecht.
In den aktuellen Krisenzeiten steigen die Belastungen. Für Eltern. Für Kinder. Daher kommt es, dass derzeit sehr viele Jungen und Mädchen eine zumindest vorübergehende Alternative zu ihren Herkunftsfamilien benötigen. “Wir haben gerade 20 Kinder in der Inobhutnahme”, berichtet Margit Dittrich. Das bedeutet: Das Jugendamt war um das Wohl der Kinder so besorgt, dass es sie aus ihren Familien nahm. Manche Kinder können nach der Inobhutnahme wieder zu ihren Familien zurück. Für andere bieten die Wohngruppen der Ev. Jugendhilfe eine gute Möglichkeit, sich zu stabilisieren. “14 dieser Kinder werden jedoch eine Erziehungsstelle brauchen”, so die aktuelle Einschätzung von Margit Dittrich.
Zwei Paare, die sich vorstellen können, schwer belastete und zum Teil traumatisierte Kinder zu nehmen, befinden sich gerade im Bewerbungsprozess. Weitere Erziehungsstellen werden gesucht. “Im Mai starten wir eine Online-Kampagne”, sagt die Sozialpädagogin. Sie weiß, dass das Interesse, Erziehungsstelle zu werden, vergleichsweise groß ist. Nur deshalb verfügt die Ev. Jugendhilfe aktuell über 25 Plätze für Kinder. Das ist fast doppelt so viel wie noch vor einigen Jahren. Neu ist im Übrigen auch, dass Kinder teilweise direkt nach der Geburt in eine Erziehungsstelle kommen: “Erst kürzlich haben wir ein Neugeborenes aus der Klinik geholt.”
Die Herkunftsfamilie des Kindes bleibt von hoher Bedeutung. Wann immer möglich, soll das Kind Kontakt zu seinen Eltern haben. “Das ist natürlich manchmal ein Balanceakt”, sagt Margit Dittrich. Je jünger das Kind ist, umso schwieriger ist es für die leiblichen Eltern, dass es nicht bei ihnen aufwachsen darf. Das kann zu Komplikationen führen. Die werden umso größer, liegt eine psychiatrische Krankheit, aber keinerlei Krankheitseinsicht vor. Dadurch kann die eigene Situation und die Situation des Kindes nicht wirklich realistisch eingeschätzt werden. Manchen Müttern ist es krankheitsbedingt auch unmöglich, sich an Absprachen zu halten.
Daniela Hofstetter stellt auch über die Distanz hinweg Kontakt her. Monatlich schickt sie Fotos oder Videos. So erleben die leiblichen Eltern das Heranwachsen ihres Kindes mit. Ist das Kind groß genug, wird am Geburtstag ein Videotelefonat organisiert: „Die Mutter sieht, wie das Kind den Geburtstagskuchen auspustet.“
Erziehungsstellen müssen immer auch mit Konflikten rechnen. Damit werden sie allerdings nicht alleingelassen. Der fünfköpfige Fachdienst kümmert sich um alle Beteiligten. Besucht die leibliche Mutter ihr Kind, werden die Treffen, im Fachjargon “Umgang” genannt, einfühlsam begleitet. “Wir wissen, dass ein Kind immer loyal gegenüber den leiblichen Eltern ist”, sagt Daniela Hofstetter. Auch wenn die Mama Dinge tat, die nicht gut waren: Sie bleibt die Mama. Sehr viel Fingerspitzengefühl ist nötig, um emotional aufgeladene Umgangssituationen gut zu bewältigen.
Viele Kinder, die in einer Erziehungsstelle aufwuchsen, können davon erzählen, wie gut es ihnen letztlich getan hat, dass sie in einer Erziehungsstelle aufgenommen wurden. Vielleicht hatten sie zwischendurch damit gehadert. Hatten sie sich in ihre Herkunftsfamilie zurückgewünscht. Doch irgendwann erkannten sie: Es war viel besser so. Nur dadurch, dass sie in einer Erziehungsstelle lebten, schafften sie es, in der Schule gute Noten zu schreiben. Nur so gelang es ihnen, Freunde zu gewinnen. Sie lernten, eigene seelische Probleme zu bewältigen. Und starteten schließlich mit Optimismus in ihr eigenes Erwachsenenleben.
Wer Interesse daran hat, Erziehungsstelle zu werden, kann sich unter dittrich.jugendhilfe@diakonie-wuerzburg.de an Margit Dittrich wenden.
BU:
Margit Dittrich (rechts) und Daniela Hofstetter suchen fachlich qualifizierte Eltern, die Erziehungsstelle werden möchten. Foto: Ev. Jugendhilfe
Vom 30. April bis 4. Mai in Hannover
Sich zusammenzuschließen und eigenen Interessen gemeinsam nachzugehen macht Spaß, erweitert den Freundeskreis und bietet obendrein finanzielle Vorteile. Kostenlose Mitmach-Aktion - einfach nutzen!